In Memoriam Marguerite Chouete
Liebe Marguerite. Du hast uns Freude gegeben, Liebe und Trost, wenn wir ihn gebraucht haben. Das alles brauchen wir unser ganzes Leben lang, und deshalb werden wir dich für immer in unserem Herzen bewahren.
Christoph:
Liebe Maman. Wir hätten dich alle noch gebraucht. Wir hätten gerne noch über vieles mit dir geredet und gewünscht, dass du uns noch länger begleitest. Aber wir wissen, dass uns jeder Gedanke an dich und jede Erinnerung zu dir führen werden.
Sich frei gesungen
Marguerite Chouete kam stets als elegant gekleidete Dame auf die Bühne. Wenn sie ihre Chansons darbot, erreichten ihr kraftvoller Gesang und ihr temperamentvolles Auftreten die Herzen. Von Edith Piaf war sie tief beeindruckt. Mit 10 Jahren sah sie den Star auf der französischen Kinoleinwand. In einer kleinen Frau so eine große Stimme! Darüber schrieb sie später: "Ich fühlte, wie eine Flamme in mir aufstieg; sie hat mein Leben verändert".
Daheim führte Ihr französischer Vater, der als Soldat in Indochina kämpfte, ein hartes Regiment. Der Drang auszubrechen trieb Marguerite Chouete in die Freiheit der Poesie. Ihr erster Liedtext "Le Troubadours de la Liberte" lässt sie 1967 "vom Fühlen und keine Angst haben" singen.
Edgar Uhlmann, mit dem sie 1981 in der "Triangel Dance Band" auf der Bühne stand, förderte gesanglichen Ausdruck und Stimmbildung. Ende der 80er erste Engagements als Solistin, deren zunehmender Erfolg über Jahre Tourneen durch Frankreich und Deutschland mit sich brachte. Sie begegnete Georges Moustaki, sang auf der Party von Brigitte Bardot, traf in Saint-Marie-de-la-Mer auf die Gipsy Kings. Der Flamenco-Gitarrist Manitas de Plata hörte sie singen und drückte ihr spontan seine Gitarre in die Hand. Der bekannte Chansonier Julien Clerc dichtete für sie "Fille du feu / Elle vient d'un monde nomade et son Aime / Chemine sur les grandes plaines / Je voudrais tant suivre sa caravane / Courir dans le sang de ses veines.
Ihr Freund Paul Klock übersetzte: "Frau des Feuers. Sie kam aus der Welt der Nomaden und ihre Seele zog über die großen Ebenen, ich würde gerne ihrer Karawane folgen und dem Blut, das in ihren Adern floss".
Zuletzt lebte Marguerite Chou�te in Freiburg. Neben ihren öffentlichen Auftritten setzte sie sich für den Erfahrungsaustausch unter den Gesangskünstlern in der Regio ein.
Hinter den Mauern der Freiburger Justizvollzugsanstalt applaudierte ihr das begeisterte Publikum der Gefangenen. Über Jahre gehörte sie zum Programm der Weihnachtsfeiern des Vereins "Bürger helfen Bürger" für die Obdachlosen und Einsamen.
Ihre 3 Kinder sind oft mit ihr gereist und sagen "das Unterwegs war ihr Zuhause, sie musste den Weg nicht suchen, ihre Sehnsucht fand, wie und wo es weitergeht".
Am 5. Mai 2004 ist Marguerite Chouete gegangen.
Link zu Michael Sattler, Jazz-Pianist aus Freiburg, _____________________________________________________________________________________________________________________
mit einem Chanson von Marguerite Chouete:
"Ne Vends Pas Ton Amour" HÖRPROBE
Gefangene sitzen ja sehr viel, und ich durfte miterleben, wie Marguerite
die Gefangenen mit ihrer Lebensfreude aus den Sitzen geholt hat.
Marguerite a souvent chante dans la prison de Fribourg pour faire plaisir et donner de l�espoir aux prisonniers.
Les prisonniers sont beaucoup assis et Martin a eu beau-coup de fois l�occasion d�observer � comment Marguerite a reussie a enthousionner les prisonniers et les faire sortir de leurs sieges.
Seit vielen Jahren hat Marguerite mit viel Liebe die Weihnachtsfeiern von �B�rger helfen B�rgern� f�r die Obdachlosen und Einsamen mitgestaltet und wundervolle Lieder gesungen.
Marguerite war 2 Jahre krank.
Sie hat versprochen, dieses Jahr wieder zu kommen.
Und alle fragen immer nach ihr ...
Depuis beaucoup d�annees Marguerite a contribue avec amour et devoument aux fetes de Noel de notre association �Citoyens pour citoyens�.
Lors de ces fetes Marguerite a chante pour les
�Sans Toit� et les personnes solitaires.
Marguerite etait malade depuis deux ans.
Elle avait promis de revenir cette annee,
et tous le monde demandait de ces nouvelles �
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NACHRUF F�R MARGUERITE CHOU�TE
Auguste Renoir, der franz�sische Impressionist, schrieb an seinen Freund Claude Monet, als dessen Frau gestorben war: Es gibt nicht gen�gend Farben, dass man das Bild eines Menschen malen k�nnte, so wie er wirklich war. Es gibt nicht gen�gend Worte, zu beschreiben, wer er war.
Goethe schrieb an Lavater, als die beiden noch befreundet waren, fast enthusiastisch schrieb er drei Worte, die er irgendwo gefunden hatte: "Individuum est ineffabile", das Individuum ist unfassbar, unaussprechlich, unerkennbar.
Wer war sie, Marguerite Chou�te? Ihr K�nstlername, eine Maske, hinter der sie sich verbarg, oder ihr eigentliches Gesicht, das erst im Laufe der Jahre sichtbar wurde.
K�nstlerin und Mutter war sie � so hat sie gesungen, Text eines Chansons, so steht es �ber ihrer Todesanzeige. K�nstlerin und Mutter - Profession, Leidenschaft das eine, Natur, Selbstverst�ndlichkeit das andere. Was sie Ihnen, was sie euch bedeutet hat, jedem einzelnen bedeutet hat, das m�ssen Sie selber in Ihrer Erinnerung befragen. Sie kannten sie �ber Jahrzehnte in ihrer Gegenw�rtigkeit. Aber wenn die Gegenwart umkippt und zur Vergangenheit wird, werden die vielen Antworten, die man gehabt hat, zur Sprachlosigkeit..
F�nf Jahrzehnte nur, die Zeit ihres Lebens, eine viel zu kurze Zeit. Und �berhaupt, die Zeit mit einem Menschen, den man liebt, ist an ihrem Ende immer eine viel zu kurze Zeit und wir fragen: Warum, warum jetzt schon?
Warum durften wir sie nicht behalten, warum durfte sie sich selber nicht behalten?
Wir wissen keine Antwort, weil es keine Antwort gibt.
Aber - so absurd und abwegig es f�r manchen klingen mag - diese Frage steht auch schon am Anfang eines jeden Lebens, das Wunder des Lebens, dieses Lebens: warum bin ich geboren, gerade ich.
Wer sich dar�ber nicht wundern kann und es nicht gleichzeitig selbstverst�ndlich nimmt, hat nicht die Offenheit des Lebens und nicht die Bereitschaft des Sterbens.
Und in dieser Spanne, zwischen den Markierungen von Geburt und Tod, spielt sich nicht nur vieles ab, es wird so vieles gelebt, empfunden, geliebt, erlitten und genossen.
Und jetzt also der Augenblick, da man von einem Menschen nicht mehr sagen kann: er ist, sondern nur noch: er war.
Ein Wort ver�ndert sich, die ganze Welt ver�ndert sich f�r die, f�r die Sascha ein St�ck ihrer Welt war.
Jetzt m�ssen wir die letzten Worte sagen, das letzte Wort zu ihr: Adieu. Das hei�t: Gott befohlen.
Gott befohlen - so wir denn daran glauben k�nnen, glauben d�rfen.
Allerdings: das letzte Wort �ber einen Menschen zu sagen, sagen zu wollen, das w�re Anma�ung.
Wir m�ssen Abschied nehmen von Marguerite. Wir m�ssen. Der Tod hat nicht nur sie bezwungen, er zwingt auch uns.
Abschied nehmen hei�t - die Endg�ltigkeit begreifen, die Endg�ltigkeit, die nie mehr umkehrbar ist. Und die Worte, die wir sagen, zeigen und entlarven gerade in diesem Augenblick die Doppelb�digkeit der menschlichen Existenz, sie zeigen die Hilflosigkeit und die Ehrlichkeit zugleich.
Ein ganzes Leben k�nnen solche Worte nicht umarmen.
Es war ein bewegtes Leben. Bewegt und bewegend in diesem doppelten Sinne: das Leben hat sie umarmt und gesch�ttelt und sie hat anderen Menschen ihre Begeisterung, ihre Emotionen, ihre Sympathie und ihre F�rsorge geschenkt.
Ihre Kindheit � ambivalent, Streit und Liebe. Sie ertr�umt sich ihre eigene Welt. Mit 5 erlebt sie Edith Piaf, es l�sst sie nie mehr los.
Ende der 80er Jahre entdeckte sie dann ihr Potential als Chansoniere und erlebte die n�chsten Jahre einen rasanten Aufstieg. Sie lernte viele andere Musiker kennen, vor allem auch in Sainte Marie de la Mer, wo sie jeden Mai auf dem gro�en Zigeunerfest war.
Sie unternahm viele Konzerttourneen, schon fr�h in die neuen Bundesl�nder. Ihre B�hnenfigur war die der Grande Dame, der man respektvoll begegnete, und die der freiheitsliebenden, lebenserfahrenen Abenteuerin. Durch ihre temperamentvolle offene Art riss sie ihr Publikum zu Begeisterungsst�rmen hin.
Da ihre Texte auf franz�sisch sind, leitete sie jedes Lied mit einer kleinen Geschichte ein, die den Hintergrund erkl�rte. Sie sang ihre eigenen Chansons, aber nat�rlich auch die Chansons ihrer ber�hmten Kollegen Jacques Brel, Georges Moustaki, Edith Piaf.
Sie war ein Mensch, der sehr emotional auf andere zuging, den viele sch�tzten und liebten und bei dem sich viele Rat holten. Sie k�mmerte sich auch um die Au�enseiter der Gesellschaft, sie sang jede Weihnachten im Gef�ngnis und bei der Weihnachtsfeier von �B�rger helfen B�rgern� f�r die Obdachlosen. Die Obdachlosen haben schon nach ihr gefragt: wann kommt sie wieder, wann wird sie wieder singen. Jetzt m�ssen wir ihnen sagen: Sie wird nie mehr kommen.
Wenn so ein Mensch geht, dann geht immer auch ein St�ck verloren ihres eigenen Lebens. Wir, die wir noch leben und trauern und auch reden k�nnen, wir k�nnen uns nur in tiefer Dankbarkeit vor einem Menschen verneigen und sagen: Es war ein gl�ckliches Leben.
Es kommt immer der Moment, da wir f�r einen anderen Menschen nichts mehr tun k�nnen, und dann ist die Frage, ob es um mehr geht als um das, was wir tun konnten und nicht mehr tun k�nnen, ob es um mehr geht als den Tod.
Eine junge Frau hat mir eine Woche vor ihrem Tod gesagt: "Es f�llt mir schwer, mir vorzustellen, dass jenseits des Todes noch etwas sein k�nnte. Aber es ist dumm zu meinen, dass wir das Ma� f�r alles sind."
Es geht um die Hoffnung, die �ber den Tod hinausweist.
Es geht um Gott. Ich sage das nicht als Trost oder aus Profession, sondern als die �berzeugung, die jeder Mensch sucht, und die auch sie � das glaube ich � gehabt hat.
Gott hat uns angeboten: sich selbst, sein Heil, seine Zukunft, sein Leben. Wenn der Mensch bei sich selbst stehen bleibt, ist er dort endg�ltig am Ende, wo er sich aus eigener Kraft nicht mehr halten kann, wo ihn niemand mehr halten und behalten kann.
Aber Gott bedeutet: wir brauchen uns selbst nicht genug zu sein.
Wir geben sie aus unseren H�nden, aber sie wird nicht fallen, denn Gottes Hand wird sie halten auch jetzt, gerade jetzt.
Es ist unm�glich und mein innerstes Leben emp�rt sich, wenn ich
denken will, als verl�ren wir uns.
Ich w�rde jahrtausendelang die Sterne durchwandern, in allen Formen
mich kleiden, in alle Sprachen des Lebens, um dir einmal wieder zu begegnen.
Aber ich denke, was sich gleich ist, findet sich bald.
So schrieb H�lderlin. Nur Wunsch, Traum, Illusion ?
Bei Gott ist kein Ding unm�glich - sagt man, sagen wir. Was also gilt er f�r uns, was f�r Sie?
Wenn etwas am Ende gen�gt, dann kann es nur Gott sein.
Ich nehme Abschied von einem Menschen mit dem gewissen Glauben, dass ich ihm wieder begegnen werde - in Gott. Anderswo ist eine solche Begegnung nicht m�glich, nicht denkbar.
Ich fordere sie nicht auf, diesen Glauben mit mir zu teilen, denn Glauben kann man nicht teilen.
Ich bitte Sie nur: bleiben Sie ihr nahe, weil sie es verdient hat. Nahe mit ihren Gedanken, in ihrem Herzen oder auch bei Gott.
Ihr Leben war ein bewegtes Leben mit vielem Auf und Ab. War es auch ein gegl�cktes Leben? Wenn wir sie danach fragen k�nnten, vielleicht w�rde sie antworten mit dem Satz ihres gro�en Vorbildes, Edith Piaf: Je ne regrette rien. Ich bereue nichts -
und das w�rde uns zur�cklassen in der Trauer, aber auch in gro�er Dankbarkeit.
� 2004 Peter H. Mayr